
Versorgungs-ausgleich
Der Versorgungsausgleich ist ein zentraler Bestandteil des deutschen Scheidungsverfahrens und dient dazu, die während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften und Versorgungsrechte zwischen den geschiedenen Ehegatten gerecht aufzuteilen. Sein Ziel in dem Scheidungsverfahren ist es, denjenigen Ehegatten vor Altersarmut zu schützen, der aufgrund von Kindererziehung, Haushaltsführung oder einer geringeren Erwerbstätigkeit während der Ehe weniger eigene Versorgungsansprüche aufbauen konnte. Er ist damit ein Ausdruck des im Familienrecht verankerten Solidarprinzips.
Rechtsgrundlagen und historische Entwicklung
Die gesetzliche Grundlage für den Versorgungsausgleich findet sich primär im Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG), das am 1. September 2009 in Kraft getreten ist und das zuvor geltende Recht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) abgelöst hat. Das neue Gesetz sollte den Versorgungsausgleich vereinfachen, beschleunigen und gerechter gestalten. Es präzisiert die Durchführung und die verschiedenen Arten des Versorgungsausgleichs.
Historisch betrachtet wurde der Versorgungsausgleich mit der Eherechtsreform von 1977 eingeführt. Zunächst war er im BGB geregelt und sah eine schuldrechtliche Ausgleichspflicht vor. Die Reform von 2009 brachte eine grundlegende Neuerung, indem sie den internen und externen Versorgungsausgleich als Regelfall etablierte und die unmittelbare Teilung der Anrechte in den Vordergrund stellte.
Grundprinzipien des Versorgungsausgleichs
Der Versorgungsausgleich basiert auf dem Halbteilungsgrundsatz. Das bedeutet, dass die in der Ehezeit erworbenen Anrechte bei der Scheidung hälftig geteilt werden. Maßgeblich ist die sogenannte Ehezeit, die mit dem Beginn des Monats der Eheschließung beginnt und mit dem Ende des Monats der Zustellung des Scheidungsantrags endet.
Wichtige Prinzipien sind:
Stichtagsbezogenheit: Die Berechnung der Anrechte erfolgt bezogen auf das Ende der Ehezeit.
Gleichbehandlung: Grundsätzlich werden alle Arten von Altersversorgungsanrechten gleichermaßen behandelt.
Eigenständigkeit: Der Versorgungsausgleich ist ein eigenständiger Teil des Scheidungsverfahrens und wird von Amts wegen vom Familiengericht durchgeführt.
Welche Anrechte fallen unter den Versorgungsausgleich?
Der Versorgungsausgleich erfasst alle Anrechte auf Alters- und Invaliditätsversorgung, die während der Ehezeit erworben wurden. Dazu gehören insbesondere:
Gesetzliche Rentenversicherung: Dies ist der häufigste Fall. Es werden Entgeltpunkte geteilt.
Betriebliche Altersversorgung: Hierzu zählen Direktzusagen, Pensionskassen, Pensionsfonds, Unterstützungskassen und Direktversicherungen.
Riester-Rente und Rürup-Rente: Auch diese privaten Vorsorgeformen werden berücksichtigt.
Beamtenversorgung: Pensionsansprüche von Beamten.
Berufsständische Versorgung: Zum Beispiel Ärzte-, Anwalts- oder Architektenversorgungswerke.
Private Rentenversicherungen: Sofern sie auf Altersversorgung ausgerichtet sind und während der Ehezeit aufgebaut wurden.
Nicht ausgeglichen werden in der Regel private Kapitallebensversicherungen, soweit sie nicht der Altersvorsorge dienen, oder Ansprüche aus Vermögensbildung wie Bausparverträge oder Aktiendepots. Diese fallen unter den Zugewinnausgleich.
Durchführung des Versorgungsausgleichs: Interner und Externer Ausgleich
Das VersAusglG unterscheidet grundsätzlich zwischen dem internen und dem externen Versorgungsausgleich.
Interner Versorgungsausgleich
Der interne Versorgungsausgleich ist der Regelfall und wird vom Familiengericht bevorzugt. Hierbei wird für den ausgleichsberechtigten Ehegatten ein eigenes Anrecht beim Versorgungsträger des ausgleichspflichtigen Ehegatten begründet oder ein bestehendes Anrecht erhöht.
Beispiel: Hat ein Ehemann während der Ehezeit 100 Rentenpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, werden der Ehefrau 50 Rentenpunkte auf ihrem eigenen Rentenkonto gutgeschrieben.
Die Vorteile des internen Ausgleichs liegen in der einfachen Handhabung für das Gericht und der Tatsache, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte unmittelbar am Aufbau des Anrechts beim ursprünglichen Versorgungsträger parti
Externer Versorgungsausgleich
Der externe Versorgungsausgleich kommt nur in bestimmten Fällen zur Anwendung und ist die Ausnahme. Hierbei wird ein Kapitalwert vom Versorgungsträger des ausgleichspflichtigen Ehegatten auf einen vom ausgleichsberechtigten Ehegatten gewählten anderen Versorgungsträger überwiesen. Dies kann ein anderer Rentenversicherungsträger sein, eine private Rentenversicherung oder ein von ihm benannter anderer Versorgungsträger.
Voraussetzungen für den externen Ausgleich sind:
Vereinbarung: Beide Ehegatten und der Versorgungsträger stimmen dem externen Ausgleich zu.
Geringwertigkeit: Der Ausgleichswert ist gering.
Unwirtschaftlichkeit: Der interne Ausgleich ist für den Versorgungsträger nicht praktikabel oder unwirtschaftlich.
Schuldhafte Herbeiführung: Der Versorgungsträger ist aufgrund einer Gesetzesänderung verpflichtet, den externen Ausgleich durchzuführen.
Der externe Ausgleich bietet dem ausgleichsberechtigten Ehegatten mehr Flexibilität bei der Wahl des Versorgungsträgers. Allerdings muss er sich selbst um die Anlage des Kapitals kümmern und trägt das Anlagerisiko.
Verfahren zum Versorgungsausgleich
Der Versorgungsausgleich wird von Amts wegen im Scheidungsverfahren durchgeführt. Dies bedeutet, dass das Familiengericht die notwendigen Schritte einleitet, sobald der Scheidungsantrag eingereicht wird, ohne dass es eines entsprechenden Antrages des Scheidungsanwaltes bedarf.
Die wesentlichen Schritte sind:
Auskunftsersuchen: Das Gericht fordert von den Ehegatten und deren Versorgungsträgern Auskünfte über die während der Ehezeit erworbenen Anrechte ein. Dies umfasst in der Regel Renteninformationen, Versicherungsverträge und Bescheinigungen der Arbeitgeber oder Versorgungswerke.
Berechnung der Ausgleichswerte: Die Versorgungsträger ermitteln die jeweiligen Ausgleichswerte. Dies kann je nach Komplexität der Anrechte einige Zeit in Anspruch nehmen.
Häufigkeitsgutachten: Bei komplexen Anrechten, insbesondere in der betrieblichen Altersversorgung oder bei Beamtenpensionen, kann ein versicherungsmathematisches Gutachten erforderlich sein.
Gerichtliche Entscheidung: Das Familiengericht trifft eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich. Diese ist Teil des Scheidungsbeschlusses.
Anpassung der Anrechte: Nach Rechtskraft des Beschlusses nehmen die Versorgungsträger die entsprechenden Umbuchungen oder Anpassungen vor.
Besondere Konstellationen und Härteregelungen
Das Gesetz sieht verschiedene Ausnahmen und Härteregelungen vor, um den Einzelfall angemessen zu berücksichtigen:
Kurze Ehedauer: Bei einer Ehezeit von bis zu drei Jahren findet ein Versorgungsausgleich nur statt, wenn ein Ehegatte dies beantragt.
Geringfügigkeit: Sind die Ausgleichswerte beider Ehegatten nur geringfügig voneinander abweichend, kann das Gericht von der Durchführung des Ausgleichs absehen. Auch hier gibt es einen festen Grenzwert.
Grobe Unbilligkeit: In Ausnahmefällen kann der Versorgungsausgleich ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, wenn seine Durchführung grob unbillig wäre. Dies ist etwa der Fall bei schwerwiegenden Verfehlungen eines Ehegatten oder bei Vorliegen einer hohen Vermögenssubstanz, die den Ausgleich überflüssig erscheinen lässt. Die Hürden für die Annahme einer groben Unbilligkeit sind jedoch sehr hoch.
Tod eines Ehegatten: Stirbt ein Ehegatte nach Rechtskraft der Scheidung, aber vor Durchführung des Ausgleichs, können sich Besonderheiten ergeben.
Abänderung und Anpassung des Versorgungsausgleichs
Ein einmal rechtskräftig beschiedener Versorgungsausgleich kann unter bestimmten Umständen abgeändert werden. Dies ist in der Regel nur möglich, wenn sich die Verhältnisse nach der Scheidung grundlegend geändert haben, zum Beispiel:
Wegfall der Ausgleichspflicht: Wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte stirbt oder heiratet und dadurch keine Witwen-/Witwerrente mehr erhalten würde.
Unbilligkeit: Wenn sich aufgrund nachträglich eingetretener Umstände eine grobe Unbilligkeit des ursprünglich festgesetzten Ausgleichs ergibt.
Die Abänderung des Versorgungsausgleichs ist ein komplexes Verfahren und erfordert in der Regel einen Antrag bei Gericht.
Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich
Ehegatten haben die Möglichkeit, den Versorgungsausgleich durch einen Ehevertrag oder Scheidungsfolgenvereinbarung ganz oder teilweise auszuschließen oder abweichende Regelungen zu treffen. Solche Vereinbarungen bedürfen der notariellen Beurkundung.
Das Gericht prüft die Wirksamkeit solcher Vereinbarungen. Eine Vereinbarung ist unwirksam, wenn sie einen Ehegatten unangemessen benachteiligt oder gegen die guten Sitten verstößt. Insbesondere darf die Vereinbarung nicht dazu führen, dass ein Ehegatte ohne ausreichende Altersversorgung dasteht.
Fazit
Der Versorgungsausgleich ist ein komplexes, aber äußerst wichtiges Instrument des deutschen Familienrechts. Er trägt maßgeblich zur gerechten Aufteilung der während der Ehe erworbenen Altersvorsorgeansprüche bei und schützt den finanziell schwächeren Ehegatten vor Altersarmut.
Die Reform von 2009 hat die Durchführung vereinfacht und die direkte Teilung der Anrechte in den Vordergrund gestellt. Trotz der Automatik des Verfahrens ist die Kenntnis der rechtlichen Grundlagen und der möglichen Besonderheiten für Ehegatten und ihre anwaltliche Vertretung unerlässlich.
Es empfiehlt sich stets, frühzeitig im Scheidungsverfahren fachkundigen Rat einzuholen, um die individuellen Auswirkungen des Versorgungsausgleichs zu verstehen und gegebenenfalls eigene Vorsorge für das Alter zu treffen.